Wer kennt Saskatchewan? Die Provinz wird gerne übersehen, denn sie befindet sich irgendwo in der Mitte Kanadas, weit entfernt von den üblichen Reisezielen im Osten oder Westen. Prärie, flaches Land, keine großen Metropolen – das sind meistens die Vorurteile, die dazu führen, dass Saskatchewan bei der Reiseplanung unbeachtet bleibt. Doch die Provinz Saskatchewan – unter 1 Million Einwohnern auf einer Fläche fast doppelt so groß wie Deutschland – ist gänzlich unterschätzt und geradezu ein Geheimtipp! Auf unserer Reise durch die „Prairieprovinz“ verschlug es uns zunächst in den Norden. Lesen Sie in unserem Artikel, warum diese Provinz alles andere als flach, trocken und langweilig ist.
Bevor wir uns auf den Weg in den Norden Saskatchewans machen, sollten wir zunächst einen kurzen Blick auf die Geschichte der Provinz werfen. Egal, ob Ureinwohner oder Siedler, archäologischen Funden wie auch Überlieferungen zufolge beherrscht seit Menschengedenken – im Fall Saskatchewans ist das seit etwa 5.000 bis 6.000 v. Chr. – ein Prozess der ständigen Anpassung an dramatische Veränderungen in Klima, Flora und Fauna das Leben der Einwohner dieses Landes. Die südlichen Ebenen waren dabei deutlich attraktiver, denn riesige Bisonherden garantierten den dort ansässigen indigenen Völkern Nahrung, Kleidung und Schutz. Die nördlichen borealen Wälder zogen weniger Menschen an, aber auch dort gab es mit Karibus, Elchen und Fischen reichlich Nahrung, die geschätzt ab 3.000 v. Chr. kleinere Stämme anlockten. 1690 entdeckten die ersten Europäer den Norden und versorgten in Folge die Hudson Bay Company von dort mit Tierfellen. Mit dem Bau der transkontinentalen Eisenbahn kamen dann Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Europäer in den südlichen Teil, um dort das Land landwirtschaftlich zu nutzen. Über die Jahre hinweg änderten sich ständig die politischen Grenzen des gesamten Gebietes – erst war es Teil von Ruperts Land, dann ein provisorischer Berzirk der Northwest Territories. Schließlich wurde es 1905 als Provinz Teil der kanadischen Konföderation.
Wälder und Seen – das ist der Norden Saskatchewans. Es ist eine Landschaft, die stark an Skandinavien erinnert. Relativ flach, aber dafür reich an Wasser und Baumbeständen. Und dann dieser unendliche Himmel! „Land of the Living Skies“ ist Saskatchewans Spitzname, und das nicht ohne Grund. Schon bei der Anreise per Turboprop-Maschine von Saskatoon über Prince Albert nach La Ronge zeigen Wolken und Sonne auf beeindruckende Art, was sie drauf haben. Das Wetter wechselt schnell hier oben, was man immer im Hinterkopf haben sollte, wenn man in den scheinbar endlosen Wäldern unterwegs ist. Nach der Landung in La Ronge geht es dann noch eine gute Stunde mit dem Auto über Schotterpisten zum Thompson‘s Camps Otter Lake Resort in Missinipe. Der Ort Missinipe liegt an der Spitze des historischen Churchill River Systems. Der Churchill River war vom 18. bis 20. Jahrhundert Teil des „Voyageur Highway“ zwischen der Hudson Bay und den Flüssen Clearwater, Athabasca und MacKenzie, die zum Arktischen Ozean fließen. Es war eine der Haupttransport- und Reisestrecken der ersten Siedler sowie der Chipewyan First Nation für den Transport von Tierfellen.
Missinipe im Lac Laronge Provincial Park ist heute eine kleine, aber lebendige Siedlung mit nur etwa zwanzig ganzjährigen Bewohnern, einer Trading Post, einer Tankstelle, zahlreichen Unterkünften für Touristen und einem Anleger für Boote und Wasserflugzeuge. Vor allem im Sommer wächst die Einwohnerzahl um ein Vielfaches, da die Umgebung vor allem bei Anglern und Paddlern extrem beliebt ist und der Ort auch per Auto von Saskatoon aus in nur fünf Stunden zu erreichen ist. Der Name Missinipe ist Cree und steht für den Churchill River („mahttawi-sipiy“ – „difficult river“).
Das örtliche Unternehmen Churchill River Canoe Outfitters bietet Paddelausflüge für jeden Geschmack: Von gemütlich über den See schippern bis hin zu Wildwasserpassagen in Seitenarmen des Churchill River kann man sich je nach Lust und Laune ein Abenteuer aussuchen. Da das Fluss- und Seennetzwerk sehr verzweigt und weitläufig ist, kann es vorkommen, dass man sein Kanu oder Kajak auch einmal über ein kleines Eiland tragen muss. „Portage“ nennt sich dieser Vorgang – und ist umso schöner, wenn die Mühe durch ein Lagerfeuer, frischen Kaffee und einen Snack auf einer der abertausend kleinen Inseln belohnt wird. Natur pur und wenig Menschen. Wer das sucht, der ist hier richtig und kann tagelang die Taiga als Spielplatz nutzen.
Eine weitere beliebte Attraktion in Missinipe ist das Angeln. Thompson‘s Camp liegt direkt am Ufer des Otter Lake (in Wirklichkeit eine Erweiterung des Churchill River). Der Outfitter macht dem Besucher sieben unterschiedliche Seen für Tagesausflüge zugänglich und bietet drei weiter entfernte Camps für mehrtägige Angelerlebnisse an. Mit einem gemütlichen Pontoon-Angelboot geht es bei einem Tagesausflug früh morgens auf den Otter Lake hinaus. Mit an Board ist ein einheimischer Angelguide, der die besten Stellen im Seenlabyrinth kennt und alle Tricks und Tipps auf Lager hat, damit auch der blutigste Anfänger ein Erfolgserlebnis hat. Angeln ist nicht gerade Volkssport in Deutschland, daher ist es für viele wahrscheinlich ein wenig gewöhnungsbedürftig. Doch die Aussicht auf ein „Shore Lunch“ mit dem selbst gefangenen Fisch (der Guide übernimmt das Ausnehmen und die traditionelle Zubereitung über dem Lagerfeuer) packt fast jeden schnell das Angelfieber. Auf der Speisekarte stehen Walleye, Hecht, Barsch und unterschiedliche Forellenarten. Der gesamte Ausflug bietet einen guten Einblick in das Leben vergangener Generationen, denn der Guide, selbst Mitglied eines indigenen Stammes, hat nicht nur etwas zum Angeln selbst, sondern auch einiges zur Geschichte und den Traditionen der Ureinwohner zu erzählen, während man mehrere Stunden gemeinsam auf dem Wasser verbringt. Ach ja, Sonnen- und Insektenschutz sollte man auf keinen Fall vergessen! Nach dem Shore Lunch geht es dann unter dem beeindruckenden, sich langsam gelb-orange-rot verfärbenden Himmel zurück zum Thompson‘s Camp. Bei einem Flug mit dem Wasserflugzeug kann man dann noch die Seen aus der Vogelperspektive erkunden. Erst aus der Luft wird einem die Weitläufigkeit der Gegend richtig bewusst. Sah die Nachbarschaft Missinipes vom Boden aus noch menschenleer aus, sieht man von oben, dass einige kleine Siedlungen auf den Inseln ringsum verstreut sind – Dörfer indigener Stämme ebenso wie Ferienhäuser und Angelcamps. Wer Glück hat, erlebt in der Nacht dann noch die Aurora Borealis – die Nordlichter. Wer hätte gedacht, dass die vermeintliche „Prairieprovinz“ all das zu bieten hat!
Nach ein paar Tagen in Missinipe fahren wir in den rund 200 km entfernten Prince Albert National Park. Auf der Fahrt nach Süden ändert sich die Landschaft – es wird etwas hügeliger und der boreale Nadelwald wird langsam zum Mischwald. Nach wie vor ist kein Zeichen von Prairie zu sehen. Sattes Grün und viel Wasser beherrschen auch im Nationalpark das Bild. Zentraler Ausgangspunkt aller Unternehmungen ist Waskesiu im Herzen des Parks. Es gibt zahlreiche Unterkünfte von Hotels bis zum Campingplatz, Läden und einen großen Strand in derm Touristenort am Waskesiu Lake. Nur wenige Schritte weiter befindet man sich aber auch hier wieder in der Wildnis. Einer der beliebtesten Ausflüge zu Fuß oder per Boot führt zur Grey Owl Cabin.
Grey Owl (1888-1938), bürgerlicher Name Archibald Stansfield Belaney, war ein Schriftsteller und Trapper, der aus England nach Kanada kam und dort viel Zeit mit den Ojebway-Indianern des Bear-Island-Stammes verbrachte. Er lernte deren Sprache und nahm den Namen Grey Owl (Wa-sha-quon-asin – „Vogel, der nachts wandert“) an. 1910 heiratete er die Ojibway Angele Egwuna. Nachdem er im Ersten Weltkrieg gedient hatte, kehrte er nach Kanada zurück. 1925 lernte er die Mohawk Gertrude Bernhard (später Anahareo genannt) kennen und lebte mit ihr in einer Fallenstellerhütte. Das Fallenstellen gab er erst auf, nachdem er eine trächtige Bibermutter gefangen hatte und Anahareo die jungen Biber aufziehen wollte. Schnell entschieden sich die beiden, eine ganze Biberkolonie zu züchten, um deren dezimierten Bestände Kanadas zu retten. 1931 schrieb Grey Owl sein erstes Buch „The Men of the Last Frontier“ (1931), nebenbei entstanden Magazinartikel für britische und kanadische Magazine, durch die auch der kanadische Nationalparkservice auf ihn aufmerksam wurde. Man bot ihm an, als „Conservationist“ zu arbeiten und Grey Owl zog mit Anahareo und den Bibern schließlich in den Prince Albert Nationalpark. Hier erschienen „Pilgrims of the Wild“ (1934), einige weitere Werke sowie seine Kurzgeschichten unter dem Titel „Tales of an Empty Cabin“ (1937). Grey Owl starb 1938 im Alter von nur 50 Jahren an einer Lungenentzündung im Beaver Lodge, seiner Hütte am Ajawaan Lake, die er 1932 für Anahero und Tochter Shirley Dawn errichtet hatte. Grey Owl, Anahareo und Shirley Dawn liegen neben der oberen Hütte in einem kleinen Friedhof mit Blick auf den Ajawaan Lake begraben.
Der Prince Albert National Park ist ein wahres Eldorado für Outdoorfreunde. Wer gut zu Fuß ist und/oder per Kanu gerne in die Wildnis paddelt, der ist hier gut aufgehoben. Auch Mountainbiker kommen auf ihre Kosten und die Parkstraße zwischen dem östlichen Eingang und Waskesiu sieht mittlerweile den ein oder anderen Rennradfahrer. Weniger abenteuerlustige Besucher bleiben hingegen einfach in Waskesiu und genießen den Strand oder finden gleich außerhalb des Parks ein gänzlich anderes Kontrastprogramm: Golf. So ist zum Beispiel die luxuriöse Anlage des Elk Ridge Resort ein beliebter Anziehungspunkt für einheimische wie ausländische Gäste. Nicht-Golfer finden mit dem Treeosix Adventure Park in unmittelbarer Nähe einen großen, aufregenden Hochseilgarten. Und all das nur etwa 1,5 Stunden nördlich der Stadt Prince Albert, dem „Gateway to the North“. Prinz Albert ist mit gut 35.000 Einwohnern nach Saskatoon (ca. 245.000) und der Hauptstadt Regina (ca. 215.000) die drittgrößte Stadt der Provinz und liegt fast genau in der Mitte der Provinz am nördlichen Saskatchewan River. Genau hier trifft die Prärie des Südens auf die satten Wälder des des Nordens. Die Stadt war eine der ersten Siedlungen in der Provinz (1862) sowie Stützpunkt der NorthWest Mounted Police und ist heute das wirtschaftliche Zentrum des Nordens. Für einen RoadTrip durch den Norden ist sie deswegen der ideale Ausgangspunkt, denn sie ist gut per Straße und Zug erreichbar – man könnte fast sagen, alle Wege führen nach Prince Albert. Und natürlich führen von hier auch viele Wege in den Süden… oder nach Hause. Egal, wie es weitergeht – das nächste Ziel ist wieder Saskatoon, die größte Stadt Saskatchewans. Wer von hier noch nicht den Heimweg nach Deutschland antreten möchte oder muss, der taucht nun unwiderruflich in die Prärie ein. Doch das ist eine andere Geschichte…
INFOS
Anreise:
Flüge von Deutschland nach Regina oder Saskatoon gehen meist entweder über Toronto oder Calgary (z.B. mit Air Canada www.aircanada.com). Weiter nach Prince Albert kommt man dann mit Transwest Air www.transwestair.com oder mit dem Auto.
Mietwagen:
Am einfachsten kann man Mietwägen an den größeren Flughäfen von Saskatoon oder Regina über die bekannten Vermieter buchen. Avis und Enterprise haben Stationen in Prince Albert. Aufgrund der Schotterstraßen im Norden der Provinz sollte man einen SUV oder Geländewagen mieten.
Übernachtungen:
Saskatoon
Auf dem Weg in den Norden sollte man sich ein oder zwei Tage Zeit in Saskatoon gönnen. Hier gibt es zahlreiche Hotels und Unterkünfte. Empfehlenswert ist das Delta Bessborough, das „Schloss“ am South Saskatchewan River, das in den 1930er Jahren für die Eisenbahn gebaut wurde und bis heute ein Wahrzeichen der Stadt ist.
Missinipe
Über Thompson‘s Camps Otter Lake Resort and Canadian Fishing Outpost Camps kann man Zimmer und Hütten buchen, die alle in Gehreichweite zum Boots- und Wasserflugzeuganleger liegen.
Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, findet auf dem Missinipe Campground am Ufer des Otter Lake Platz.
Prince Albert National Park / Waskesiu
Über die Nationalparkverwaltung findet man Campingplätze im Park. Hier wird unterschieden zwischen „Frontcountry“ (mit dem Fahrzeug erreichbar) und „Backcountry“ (zu Fuß oder per Boot). Außerdem wird mit „oTENTik“ auf dem Beaver Glen Campground Glamping angeboten.
Für Gäste, die Hotel, Lodge oder Bungalow bevorzugen, gibt es alle verfügbaren Unterkünfte über den Link des Tourismusverbandes von Waskesiu.
Außerhalb des Nationalparks
Elk Ridge Resort – mit drei unterschiedlichen 9-Loch-Golfplätzen
Prince Albert
Hotels, Bed & Breakfast oder Camping: In Prince Albert findet der Besucher zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten. EIne Übersicht bietet die Seite von Prince Albert Tourism.
Essen:
In den Städten und Orten auf dieser Tour findet man überall Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Allerdings sollte man bedenken, dass relativ früh zu Abend gegessen wird – wer nach 20 Uhr in ein Restaurant geht, kann unter Umständen Pech haben. Im Hinterland ist unbedingt darauf zu achten, dass man selbst ausreichend Vorräte dabei hat oder ein guter Angler ist und weiß, wie man Feuer macht.
Aktivitäten:
Missinipe
Thompson‘s Camps Otter Lake Resort and Canadian Fishing Outpost Camps
Churchill River Canoe Outfitters
Prince Albert National Park / Waskesiu
Links über Waskesiu Chamber of Commerce
Links über die Nationalparkseite
Treeosix Adventure Park Elk Ridge (Hochseilgarten und mehr)
Prince Albert
Wandern, Reiten, Biken, Golf oder Quad-Fahren… Museen, historische Gebäude oder Shoppen gehen. Auf der Seite von Prince Albert Tourism ist alles aufgelistet, was die Stadt zu bieten hat!
Tourismus-Links:
Tourism Saskatchewan: www.tourismsaskatchewan.com
Prince Albert National Park: www.pc.gc.ca
Missinipe: www.tourismsaskatchewan.com/missinipe
Prince Albert: www.princealberttourism.com
Und dann war da noch… die Holy Trinity Anglican Church in Stanley Mission: Das älteste Gebäude der Provinz
In den 1840er Jahren schickte die anglikanische Kirche Missionare in den kanadischen Nordwesten. Der erste Missionar, der nach La Ronge kam, war James Beardy, ein Cree aus Manitoba. Ein Jahr später gründete James Settee, ein weiterer Cree-Missionar, eine Mission am Ufer des Lac La Ronge. 1850 kam Rev. Robert Hunt aus England, übernahm die Mission und zog damit ans Nordufer des Churchill River. Stanley Mission war an dem neuen Ort gut besucht und ein wichtiger Halt, da so gut wie alle Boote der Hudson‘s Bay Company an der Stelle vorbeikamen. Hunt begann 1854 mit dem Bau einer Kirche und benötigte dafür sechs Jahre. Viele First Nations und Metis-Familien errichteten danach ihre Häuser rund um das Gotteshaus und ein kleines Dorf entstand. 1920 wurde die Stanley Mission Reserve auf der anderen Seite des Flusses gegründet. Die Regierung ermutigte die Menschen von da an, Häuser im Reservat zu bauen. Die letzten Bewohner verließen die Nordseite des Flusses in den 1970er Jahren. Heute ist die Holy Trinity Anglican Church das älteste Gebäude in Saskatchewan. Im Jahr 1980 wurde die Kirche in den Lac La Ronge Provincial Park integriert und zur Provincial Historic Site. Die Kirche kann von Missinipe aus per Auto, Boot oder Wasserflugzeug erreicht werden.
Und warum nicht… zum Athabasca Sand Dunes Provincial Park
Ein absolutes Highlight im Norden Saskatchewans ist der Athabasca Sand Dunes Provincial Park. Warum der nicht Teil unseres Roadtrips ist? Die geologische Sehenswürdigket (die größten Wanderdünen Kanadas und die nördlichsten der Erde) liegt weit entfernt im äußersten Norden der Provinz. Athabasca ist nur per Wasserflugzeug erreichbar und eine echte „Wilderness Area“ ohne Services und lediglich mit primitiven Campingmöglichkeiten. Wer ausreichend Zeit mitbringt, dem sei ein Trip zu den bis zu 30 Meter hohen Dünen wärmstens ans Herz gelegt.