Im Takt der Natur: Ein Roadtrip durch die Berkshires

5. Sep. 2025 | Highlight, Reiseberichte, USA

Auf einem Roadtrip durch die Berkshires entfaltet Massachusetts seine ganze Tiefe – mit Natur, Kultur & stillen Momenten zum Wiederkommen.

Kurvige Landstraße führt durch eine hügelige Farmlandschaft bei North Adams, Massachusetts, mit Blick auf den Mount Greylock.
Sanfte Hügel, weite Felder: Die Farmland-Region rund um den Mount Greylock in North Adams zeigt Neuengland von seiner schönsten, ländlichen Seite © Wolfgang Greiner

Bevor der Weg von den Flughäfen Hartford, Connecticut, oder Boston, Massachusetts, kommend in die Weite der Berkshires führt, lohnt ein Zwischenhalt in Springfield – jener Stadt am Connecticut River, die industriellen Erfindungsgeist und kulturelles Erbe vereint. In den fünf Springfield Museums lässt sich diese Vielfalt hautnah erleben: Kunst, Wissenschaft, Geschichte und Technik teilen sich ein parkähnliches Gelände, ergänzt durch den Dr. Seuss Sculpture Garden, der an den berühmten Kinderbuchautor und gebürtigen Sohn der Stadt erinnert.

Links: Besucher betrachten ein großes Gemälde in einem Kunstmuseum der Springfield Museums. Rechts: Ein Kind interagiert mit einer digitalen Lernstation im Dr. Seuss Museum.
Kunst und Fantasie vereint – die Springfield Museums in Massachusetts bieten klassische Kunstwerke und interaktive Erlebnisse im Dr. Seuss Museum © DNE / Springfield Museums

Gleich um die Ecke spannt die Naismith Memorial Basketball Hall of Fame den Bogen zur amerikanischen Sportkultur – ein moderner Glasbau, der tief in die Geschichte des Basketballs eintaucht und Besucher mit multimedialen Ausstellungen empfängt. Springfield ist keine klassische Schönheit, aber ein ehrlicher Ort, durchzogen von Geschichte und Geschichten. Und genau darin liegt sein Reiz: als urbaner Auftakt, bevor die Route westwärts führt – in Richtung Wälder, Seen und der leisen Poesie der Berkshires.

Und dann geht es endlich los. Auf unserer Fahrt nach Westen tauchen wir in die Zentralregion der Berkshires ein. Die Hektik der Städte bleibt zurück, der Highway verengt sich, die Dörfer werden kleiner, die Bäume größer. Die Landschaft atmet freier. Die Berkshires erstrecken sich in ihrer Gesamtheit vom Housatonic River und Hoosic River Valley im Westen von Massachusetts bis zum Connecticut River Valley im Norden und bis zum Fuß des unteren Westfield River Valley im Süden. Wer aus New York City anreist, durchquert auch die südliche Region der Berkshires – mit Orten wie Great Barrington oder dem Künstlerdorf Housatonic in Stockbridge, eingebettet in sattes Grün und leuchtenden Herbstwald.

Wo der Tag atmet: Lenox

Bei Lee verlassen wir den Highway und gleiten hinein in eine andere Zeit. Lenox empfängt uns mit breiten Veranden, gepflegten Gärten und dem Geruch von Holz und Herbst. Alte Bäume rahmen die Straßen, Galerien, Buchläden und Cafés laden zum Verweilen ein. Es ist ein Ort, der Geschichten bewahrt – nicht laut, sondern mit leiser Würde. Einst war Lenox Sommerfrische für Künstler und Intellektuelle aus Boston und New York. Diese Atmosphäre trägt der Ort bis heute.

Links: Historisches Gebäude mit goldener Kuppel und US-Flagge in Lenox, Massachusetts. Rechts: Weißes Kolonialgebäude mit Turm und schwarzen Fensterläden bei Abendstimmung.
Historische Architektur in Lenox, Massachusetts – typisch Neuengland mit Kolonialstil-Gebäuden und traditionsreicher Geschichte
© Wolfgang Greiner

Ein besonderer Ort ist The Mount, der Landsitz der Schriftstellerin Edith Wharton. Die Pulitzer-Preisträgerin ließ das Anwesen 1902 im Stil eines englischen Landhauses errichten – mit geometrischen Gärten, hellen Fassaden und luftigen Salons. Heute lässt sich das Haus besichtigen – ein literarisches Erlebnis mit Blick auf die Hügel, die auch Wharton inspirierten.

Historisches Haupthaus von The Mount in Lenox, Massachusetts, mit klassischer weißer Fassade und grünen Fensterläden.
Das Haupthaus von The Mount in Lenox, 1902 von der Schriftstellerin Edith Wharton erbaut © Wolfgang Greiner

Nur wenige Minuten entfernt liegt das Berkshire Scenic Railway Museum. Wer sich für die Geschichte der Eisenbahn begeistert, findet hier restaurierte Waggons, historische Lokomotiven und Ausfahrten entlang alter Strecken – eine nostalgische Zeitreise durch das ländliche Massachusetts.

Im Sommer erklingt Musik über den Wiesen von Tanglewood. Die Freiluftarena ist seit Jahrzehnten Sommerresidenz des Boston Symphony Orchestra. Wenn sich abends die Sonne senkt und Menschen mit Decken und Picknickkörben zu den Klängen Beethovens oder Gershwins lauschen, dann ist das Berkshires-Gefühl vollkommen.

Pittsfield: Die kleine große Stadt

Von Lenox geht es weiter nach Pittsfield – größer, geschäftiger, doch ebenso von Geschichte durchzogen. Als wirtschaftliches Zentrum der Region war die Stadt einst Heimat großer Industrien. Backsteinbauten und ehemalige Werkshallen erzählen davon, viele davon heute kreativ oder kulinarisch neu belebt. Im Hotel on North, einem Boutique-Hotel im restaurierten Warenhaus, lässt sich dieses Erbe stilvoll erleben.

Straßenszene in Pittsfield, Massachusetts, mit der North Street, Autos im Verkehr und dem markanten Uhrturm sowie der historischen City Hall.
North Street und City Hall in Pittsfield, Massachusetts – das Herz der Stadt mit markanter Architektur © Wolfgang Greiner

Wer früh aufsteht, sollte einen Spaziergang am stillen Onota Lake einplanen. Hier spiegeln sich Bäume im Wasser, Kajaks ziehen ihre Bahnen, Vögel rufen vom Schilf herüber. Ganz in der Nähe steht Arrowhead, das ehemalige Wohnhaus von Herman Melville. Hier schrieb er – mit Blick auf den Berg Greylock – seinen Klassiker Moby Dick. Ein Ort der Literaturgeschichte, schlicht, authentisch, inspirierend.

Das historische Herman Melville House „Arrowhead“ in Pittsfield, Massachusetts – Außenansicht des gelben Holzhauses und Innenansicht mit Schreibtisch des Schriftstellers.
Herman Melville House „Arrowhead“ in Pittsfield – hier schrieb der Autor unter anderem seinen Welterfolg Moby-Dick © Wolfgang Greiner

Am südlichen Rand Pittsfields liegt das Hancock Shaker Village. Die Siedlung mit ihrem ikonischen Rundstall, den Gärten und Werkstätten bringt Besucher zurück in eine Welt der Stille und Ordnung. Die Shaker glaubten an Gleichheit, Handarbeit und Einfachheit – Werte, die sich in ihrer Architektur und Ästhetik bis heute widerspiegeln.

Historisches Hancock Shaker Village bei Pittsfield, Massachusetts – Blick auf Farmgebäude, Wohnhäuser und die berühmte Round Stone Barn.
Hancock Shaker Village nahe Pittsfield: eine einzigartige Museumsanlage mit originalen Shaker-Gebäuden inklusive dem berühmten Round Stone Barn © Wolfgang Greiner

Zwischen Baumwipfeln und Windkraft

Die Berkshires lassen sich nicht nur durchstreifen – sie lassen sich auch erleben. Nur wenige Minuten außerhalb Pittsfields beginnt das Abenteuer. Im Waldseilgarten Ramblewild balanciert man zwischen Baumstämmen, Plattformen und schwingenden Seilen – nachhaltig gebaut, eingebettet in dichten Wald. Wer lieber festen Boden unter den Füßen behält, findet am Bousquet Mountain Mountainbike-Strecken und Wanderwege – oder gleitet im Winter auf Skiern talwärts.

Blick auf das Skigebiet Bousquet Mountain bei Pittsfield, Massachusetts, mit Pistenplan im Vordergrund und schneefreien Hängen unter blauem Himmel.
Frühling im Skigebiet Bousquet Mountain – der Hausberg von Pittsfield zeigt sich außerhalb der Saison von seiner ruhigen Seite
© Wolfgang Greiner

Nicht weit entfernt lockt Jiminy Peak, ein Ganzjahresresort mit Kletterparks, Sommerrodelbahn und gepflegten Trails. Der Wind weht hier nicht nur durch die Baumwipfel, sondern treibt auch ein Windrad auf dem Gipfel an – ein sichtbares Zeichen für den Nachhaltigkeitsanspruch des Resorts.

North Adams: Kunst, Natur, Geschichte

Eingangsbereich und Museumsshop des MASS MoCA in North Adams, Massachusetts, mit Blick auf das historische Fabrikgelände durch große Fenster.
Im ehemaligen Fabrikkomplex von North Adams hat sich das MASS MoCA als eines der größten Museen zeitgenössischer Kunst in den USA etabliert © Wolfgang Greiner

Ganz im Norden unserer Route liegt North Adams. Früher Industriestadt, heute Heimat von MASS MoCA, einem der größten Museen zeitgenössischer Kunst in den USA. In den riesigen Hallen einer ehemaligen Fabrik zeigt das Museum monumentale Installationen, Klangräume und Werke, die in klassischen Museen kaum Platz fänden. Besonders eindrucksvoll sind zwei aktuelle Ausstellungen: die Sol LeWitt Wall Drawing Retrospective – ein ganzer Trakt, gestaltet nur mit Farbe, Linie und Idee – und Jeffrey Gibson: This Burning World, eine farbintensive, multimediale Schau über indigene Identität, Popkultur und Gemeinschaft.

Zwei Ausstellungen im MASS MoCA: Farbige Streifenwand in historischer Industriehalle und multimediale Rauminstallation mit Videos und Textilien.
Zwischen rohem Backstein und intensiven Farben – die Ausstellungen im MASS MoCA kombinieren industrielle Ästhetik mit moderner Kunst. Oben: Sol LeWitt Wall Drawing Retrospective; unten: Jeffrey Gibson: This Burning World © Wolfgang Greiner

Gleich gegenüber lädt The Porches Inn zur Übernachtung ein – liebevoll renovierte Arbeiterhäuser mit Charme und Geschichte. Wer durch die Innenstadt schlendert, entdeckt Galerien, kleine Cafés, Handwerksläden – North Adams ist rauer als Lenox, aber voller Energie.

Hotel The Porches Inn in North Adams und Blick auf das MASS MoCA bei Sonnenuntergang mit dem Schild „Sunshine Park“ im Vordergrund.
Charmantes Boutique-Hotel mit Geschichte: The Porches Inn liegt direkt an der Rückseite des MASS MoCA in North Adams und vereint Retro-Vibes mit modernem Komfort © Wolfgang Greiner

Südlich der Stadt finden die Bellevue Falls ihren Weg in eine felsige Schlucht – ein idealer Ort für eine kurze Wanderung oder ein Picknick im Schatten. Wer weiter hinauf will, steigt zum Mount Greylock – mit 1.063 Metern die höchste Erhebung von Massachusetts. Von Mai bis Oktober ist die Straße zum Gipfel geöffnet. Oben wartet ein Rundumblick über Wälder, Hügel und weite Landschaften.

Blick auf bewaldete Hänge am Wasser in den Berkshires bei North Adams sowie ein Birkenhain in winterlicher Landschaft nahe Mount Greylock.
Zwischen Wasser, Wald und Berg: Die Natur rund um North Adams und den Mount Greylock lädt zu stillen Momenten und ausgedehnten Erkundungen ein © Wolfgang Greiner

Nur wenige Minuten westlich liegt Williamstown, ein eleganter College-Ort mit dem Clark Art Institute – bekannt für seine Sammlung europäischer Kunst, von Renoir bis Turner. Auch die Gärten und Ausstellungsräume des Museums spiegeln die Gelassenheit der Region.

Außenansicht, lichtdurchfluteter Loungebereich und klassischer Ausstellungssaal des Clark Art Institute in Williamstown, Massachusetts.
Das Clark Art Institute verbindet preisgekrönte Architektur mit Meisterwerken europäischer Kunst – eingebettet in die sanften Hügel von Williamstown. © Wolfgang Greiner

Und dann ist da noch der Mohawk Trail, eine der ältesten touristischen Panoramastraßen Neuenglands. Er folgt alten Handelswegen der indigenen Bevölkerung, schlängelt sich durch Wälder, an Felsvorsprüngen entlang, vorbei an Aussichtspunkten, die einem den Atem rauben können – besonders im Herbst, wenn sich das Laub in Feuerfarben färbt. Wer mag, kann dem Mohawk Trail weiter ostwärts folgen – quer durch den Bundesstaat Massachusetts bis in die Nähe von Boston. Auch diese Rückfahrt ist eine Reise für sich: durch wechselnde Landschaften, kleine Städte und historische Orte, die noch einmal ein ganz eigenes Kapitel aufschlagen – ein Roadtrip nach dem Roadtrip.

„Hail to the Sunrise“-Denkmal, Straßenschild des Mohawk Trail Scenic Byway und Blick über eine leere Straße auf einer Brücke entlang des Trails in Massachusetts.
Der Mohawk Trail ist eine der ältesten Panoramastraßen Neuenglands – mit spirituellen Orten wie dem „Hail to the Sunrise“-Denkmal (links), historischen Verbindungen und atemberaubenden Ausblicken © Wolfgang Greiner

Die Berkshires erzählen keine spektakuläre Geschichte – sie flüstern. Vom Wechsel der Jahreszeiten. Vom Gleichgewicht zwischen Kultur und Natur. Vom genussvollen Unterwegssein in einer Region, in der Zeit relativ wird. Wer einmal dort war, fährt nicht nur mit vollen Speicherkarten nach Hause, sondern mit dem Gefühl, ein Stück Ruhe gefunden zu haben – zwischen Hügeln, Veranden und leisen Tönen.


Infobox: Praktische Tipps für eine Reise durch die Berkshires

Anreise nach Springfield: Am besten per Mietwagen ab Boston (ca. 2,5 Std.), Hartford (2 Std.) oder New York City (ca. 3 Std.).

Beste Reisezeit: Frühling bis Herbst, besonders spektakulär zur Laubfärbung im Oktober.

Übernachten:

  • Springfield: Sheraton Springfield Monarch Place Hotel
  • Lenox: Courtyard by Marriott Lenox Berkshires
  • Pittsfield: Hotel on North
  • North Adams: The Porches Inn

Mehr Informationen unter berkshires.org und discovernewengland.org.

„Hail to the Sunrise“-Denkmal
North Adams: Zwischen sanften Hügeln und viktorianischer Architektur schlägt hier das charmante (und kulturelle) Herz der Berkshires
© Wolfgang Greiner

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